Samstag, 14. Oktober 2006

Unsere heile Welt II

Kevins kurzes Leben war eine einzige Qual. Eine große Schuld tragen die Bremer Behörden und Politiker. Sie wussten schon früh von Kevins Leiden – und unternahmen (fast) nichts. Das Protokoll eines schrecklichen Lebens.

• 23. Januar 2004. Kevin kommt auf die Welt. Mutter Sandra (34), Vater Bernd (heute 41). Beide arbeitslos, beide drogenabhängig, er als Gewalttäter vorbestraft. Kevins Blut ist von Geburt an drogenverseucht.

• März 2004. Kevin und seine Mutter müssen in eine Spezialklinik nach Heiligenhafen (Ostsee) zur Entgiftung.

• August 2004. Erster Verdacht der Kindesmisshandlung, aber an dem Säugling werden keine Verletzungen festgestellt. Mitarbeiter des Jugendamtes bezweifeln jedoch, dass die Eltern in der Lage sind, Kevin zu erziehen. Trotzdem bleibt er bei ihnen.

Es geschieht nichts!

• Oktober 2004. Kevin wird in die Professor-Hess-Kinderklinik gebracht. Beim Röntgen stellen die Ärzte fest: Seine Unterschenkel waren gebrochen. Haben die Eltern ihrem Baby die Knochen gebrochen? Nachbarin Ester Mensa zu BILD: „Einmal habe ich mitbekommen, wie der Bernd die Mutter verprügelte. Der Junge war dabei. Um Mutter und Kind zu schützen, habe ich beide mit in meine Wohnung genommen.“

Es geschieht nichts!


• November 2004. Kevin kommt in das Kinderheim Hermann-Hildebrand-Haus. Doch nach sechs Tagen wird der Junge wieder nach Hause gebracht. Heimleiter Joachim Pape: „Ich war dagegen. Kevin hätte bei uns bleiben müssen.“ Aber: Ein Familienkrisendienst besucht die Eltern sechs Wochen lang. Ergebnis: Sie haben die nötigen Erziehungskompetenzen ...

Es geschieht nichts!

• Februar 2005. Kevins Kinderarzt stellt fest, dass der Junge zu wenig wiegt, von seinen Eltern vernachlässigt wird.

• März 2005. Der Kinderarzt korrigiert sich. Die Entwicklung des Jungen sei wieder gut. Das Jugendamt stellt eine positive Prognose.

• Mai 2005. Mutter Sandra ist wieder schwanger. Doch es kommt zu Komplikationen. Das Baby kommt tot zur Welt.

• Juli 2005. Der Vater ruft die Polizei, sagt: „Meine Freundin misshandelt unser Kind.“ Doch nach einem Hausbesuch attestieren Mitarbeiter des Jugendamts: Kevin wird gut versorgt.

Es geschieht nichts!


• August 2005. Kevins Blut ist immer noch drogenverseucht. Wieder muss er in die Entgiftungsklinik.

• Oktober 2005. Der Junge wird im Spielhaus „Wilder Westen“ angemeldet. Doch sein Vater holt ihn wieder dort weg. Eine Erzieherin: „Er wollte nicht, dass Kevin Kontakt mit anderen Kindern hat.“ Kevins Mama nimmt an einer Elternschule teil.

• November 2005. Die Mutter stirbt. Der Notarzt schließt ein Fremdverschulden nicht aus. Die Polizei ermittelt gegen Kevins Vater wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Der Verdacht: Er erschlug sie im Rausch. Der Drogenabhängige wird in die Psychiatrie zwangseingewiesen. Das Jugendamt übernimmt die Vormundschaft für den Jungen. Er kommt wieder ins Kinderheim. Der Vater bekommt seinen Sohn 14 Tage später zurück. Das hat das Jugendamt entschieden. Er lügt der Behörde vor, den Jungen zu Oma und Opa zu geben.

Niemand überprüft das. Es geschieht nichts!


• Dezember 2005. Die Polizei schnappt Bernd K. mit einer Waffe vor dem Bahnhof in Hannover. Kevin ist auch dabei.

Es geschieht nichts!

• Januar 2006. Der Junge lebt wieder bei seinem Vater. Er bekommt kaum etwas zu essen. Eine Bewährungshelferin sagt dem Jugendamt: „Der Vater ist mit Kevin überfordert.“

Es geschieht nichts!


• März 2006. Das Jugendamt beschließt: Kevins Vater soll seinen Sohn täglich zu einer Tagesmutter bringen. Der Vater kümmert sich nicht um die Anweisung, die Tagespflege wird abgebrochen.

• 20. April 2006. Jugendamt-Mitarbeiter besuchen Kevin. Es ist das letzte Mal, dass sie den Jungen sehen. Beim Treffen wird beschlossen, Kevin zur Frühförderung zu schicken.

• Juli 2006. Die Frühförderstelle teilt dem Jugendamt mit, dass Kevin nicht kommt. Jugendamt, Bewährungshelfer und Sozialarbeiter versuchen seit Wochen, den Vater zu erreichen. Doch der ist unterwegs, kauft Drogen, trinkt und verprügelt seinen Sohn. Er entzieht sich jeder Hilfe.

Es geschieht nichts!

• September 2006. Kevins Großmutter ruft beim Jugendamt an, weil sie ihren Enkel seit Anfang Juli nicht mehr gesehen hat. Es wird beschlossen, den Jungen aus der Familie zu nehmen.

• 2. Oktober 2006. Das Familiengericht beschließt, Kevin aus der Wohnung des Vaters zu holen. Richterin Sabine Heinke hatte das Jugendamt schon zuvor mehrmals dazu gedrängt.

Jetzt geschieht endlich was – aber zu spät!

• 10. Oktober 2006, 7 Uhr. Die Polizei will dem Vater das Kind wegnehmen. Polizisten brechen die Wohnungstür auf. Nach einem Hinweis des Drogenabhängigen finden sie das verweste Kind im Kühlschrank. Eingewickelt in eine Decke und drei Müllbeutel. Bei der Obduktion stellen die Rechtsmediziner diverse Blutergüsse am Kopf, Bruch des linken Oberschenkelknochens, Bruch des rechten Schienbeins und Bruch des linken Unterarms fest. Wahrscheinlich wurde Kevin erschlagen.

• 11. Oktober 2006. Gegen Kevins Vater wird Haftbefehl wegen Totschlag und Misshandlung von Schutzbefohlenen erlassen.

Dieser Beitrag ist ein Artikel aus der Bildzeitung vom 12.10.2006

zum Artikel

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Veränderungen
Woa ich schaff es glatt 2 Tage hintereinander etwas...
zicke_4_life - 13. Okt, 21:15
Totgesagte leben länger
Halli Hallo da bin ich wieder. Ich weiß gar nicht,...
zicke_4_life - 12. Okt, 15:24
Reloaded
Hui hui lange her, dass ich was geblogt habe. Werd...
zicke_4_life - 9. Okt, 19:23
hoch bin zu faul :( ^^
hoch bin zu faul :( ^^
zicke_4_life - 17. Jul, 17:44
Buchvorstellung IV: Der...
Auszug aus dem Buch "der Greif" von Wolfgang Hohlbein: Erstes...
zicke_4_life - 17. Jul, 17:44

Links

Suche

 

Status

Online seit 6803 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 13. Okt, 21:16

Credits


Bücher
Gedichte und Musik
Hunde
Kritisch über und von mir
Skurilles
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren